Case Studies
Austausch in Expertengruppen
- Was hat dich an deiner Fallstudie am meisten fasziniert?
- Was hat dich überrascht, als du von deiner Fallstudie erfahren hast?
- Wie könnte dies in den Kontext der Public History übernommen werden? Was könnten mögliche Herausforderungen sein?
- Wurde dies bereits in einem Public History Kontext angewandt – wenn ja, wo?
Trans* Saints
Ergebnisse der Expertengruppe
Überraschend war, dass das gewählte Geschlecht der trans* Heiligen oft selbst nach der „Enthüllung“ ihrer Genitalien respektiert wurde. Besonders faszinierend war auch die Häufigkeit solcher Geschichten, die als wiederkehrendes Topos in den Heiligenerzählungen auftauchen. Das Konzept der imitatio transvesti wurde hierbei als zentral hervorgehoben, das Anknüpfungspunkte bietet könnte, um auch cis Personen in diese Narrative näherzubringen.
Im Kontext der Public History eröffnen solche Erzählungen die Möglichkeit, die Kontinuität trans* Existenz über Jahrhunderte hinweg aufzuzeigen. Dabei stellen sich jedoch Herausforderungen, insbesondere im Umgang mit religiösen Empfindlichkeiten sowie der Suche nach „Authentizität“, die oft die Rezeption und Vermittlung erschweren.
Ob diese Geschichten bereits in Public History-Kontexten Anwendung gefunden haben, bleibt unklar. Aber es wäre interessant mehr herauszufinden.
Vorbereitende Lektüre
Bychowski, M. W.. „10 The Authentic Lives of Transgender Saints: Imago Dei and imitatio Christi in the Life of St Marinos the Monk“ In Trans and Genderqueer Subjects in Medieval Hagiography edited by Alicia Spencer-Hall and Blake Gutt, 245-266. Amsterdam: Amsterdam University Press, 2021. https://doi.org/10.1515/9789048540266-013
Ergänzende Lektüre
Price, Basil Arnould, Jane Bonsall, and Meagan Khoury, eds. Medieval Mobilities : Gendered Bodies, Spaces, and Movements. 1st ed. 2023. Cham: Springer International Publishing, 2023. https://doi.org/10.1007/978-3-031-12647-5.
Libby, C. „Wondrous Bodies: Trans Epistemology and Nonbinary Saints.“ WSQ: Women’s Studies Quarterly 51, no. 3 (2023): 156-169. https://dx.doi.org/10.1353/wsq.2023.a910074.
Female Husbands
Ergebnisse der Expertengruppe
Besonders interestant war, dass der Begriff Female Husband stammt aus dem 18. Jahrhundert stammt und keine moderne Analysekategorie ist, die wir in die Vergangenheit zurück projeziere. Überraschend war wie einfach es damals scheinbar war, als ein anderes Geschlecht zu leben. Die Idee, dass es vermutlich weitaus mehr Menschen gab, die auf diese Weise lebten, als die historischen Quellen belegen, da nur jene bekannt sind, die entdeckt wurden, ist aufregend.
Die Prozesse um Female Husbands, wie Charles Hamilton, waren stark auf sexuelle Aspekte fokussiert, was sich auch in der intensiven Bestrafung widerspiegelt. Gleichzeitig trugen die Medien der Zeit oft durch Übertreibungen in der Berichterstattung zu einer verzerrten Wahrnehmung bei.
Diese Thematik wurde bereits in einem Podcast behandelt, der eine moderne Perspektive auf historische Fälle bietet, dennoch bieten die Geschichten noch weitaus mehr für mögliche Public History Projekte: man könnte zum Beispiel eine Podcast-Reihe nur zu Female Husbands entwickeln oder eventuell eine Ausstellung.
Vorbereitende Lektüre
Manion, Jen. “The First Female Husband.” Chapter. In Female Husbands: A Trans History, 17–43. Cambridge: Cambridge University Press, 2020. Ergänzende Lektüre
- Manion, Jen. “Introduction: Extraordinary Lives.” Chapter. In Female Husbands: A Trans History, 1–14. Cambridge: Cambridge University Press, 2020.
- Fielding, Henry. „The Female Husband: or, the Surprising History of Mrs. Mary, alias Mr. George Hamilton, who was Convicted of having Married a young Woman of Wells and Lived with her as her Husband,“ 1746.
Podcast: The Georgian Husband with 14 Wives – After Dark https://open.spotify.com/episode/6SPeVvcFbtSqpH1oLm8sjr?si=612bf314fcb24659
Charlotte von Mahlsdorf
Ergebnisse der Expertengruppe
Der Titel von Mahlsdorfs Biografie ist treffend gewählt: Charlotte, das „Lottchen“, ist „ihre eigene Frau“ im doppelten Sinne, den die deutsche Sprache hier bietet: sowohl „ihre eigene Ehefrau“ als auch „ihre eigene Version einer Frau“. Sie bleibt sich selbst treu, steht zu sich wie zu einer Ehefrau und hat zugleich ihre Weiblichkeit und ihr Frausein eigenständig erfunden, was sie einzigartig und individuell macht. Beeindruckend ist, mit welcher Vehemenz sie ihre Ziele und Ideen verfolgt hat.
Überraschend ist die Spannbreite ihres Lebens, die vom gutbürgerlichen Leben im fein dekorierten Kittelschürzenkleid bis hin zu einem freizügigen und offen gelebten Sexualleben reicht. Die Herausforderung, Mahlsdorfs Lebenshaltung zu vermitteln, liegt darin, dass die trans*-spezifischen Konventionen der damaligen Zeit heute kaum noch bekannt sind. Besonders bemerkenswert ist, wie sie den Balanceakt zwischen den verschiedenen Facetten ihres Lebens meisterte, dessen Regeln uns weitgehend unbekannt bleiben.
Charlotte von Mahlsdorf schrieb sich selbst in die Geschichte ein und wurde zugleich von außen als Vorbildfigur und „Modell-Queen“ angenommen. Ihr bekanntestes Vermächtnis in der Public History ist zweifellos das Gründerzeit-Museum. Vielleicht würde sich eine Kooperation mit dem Gründerzeitmuseum hier lohnen zum Beispiel um einen Audio Guide für das Museum mit dem Fokus auf seiner Gründerin zu erstellen.
Vorbereitenden Lektüre
Charlotte von Mahlsdorf
- von Mahlsdorf, Charlotte “Ich bin meine eigene Frau: ein Leben” 1992 (eingescannte Quelle folgt)
- Baer, Brian James. “Translation, Transition, Transgender: Framing the Life of Charlotte von Mahlsdorf.” TSQ : Transgender Studies Quarterly 3, no. 3–4 (2016): 506–23. https://doi.org/10.1215/23289252-3545191.VIDEO: Charlotte von Mahlsdorf – Gründerzeit Museum
Primärquellensammlung
Vorstellung und Besprechung der gefundenen Quellen
- Warum habt ihr sie ausgewählt? Was ist an ihr interessant?
- Wie könnte man daraus ein größeres Forschungsthema entwickeln? Könnte dies ein Ausgangspunkt für ein öffentliches Geschichtsprojekt sein?
Cora Anderson / Ralph Kerwineo
“Even Bohan”
Interessant finde ich an diesem Beispiel, dass die Beteiligten in den Zeitungsartikeln selbst zu Wort kommen und die Person und ihre (erste) Ehefrau ihr Handeln mit ökonomischen und moralischen Gründen erklären. Die als Ehemann lebende Person artikuliert in den Artikeln ein deutliches Gefallen an dem Leben als Mann, das sie mit der besseren ökonomischen und gesellschaftlichen Stellung begründet. Für unser Seminar finde ich diese Primärquelle(n) interessant, da sie die Frage aufwerfen, wie mit den Zeitungsartikeln, die unter dem Einfluss der damaligen gesellschaftlichen Normen und Gesetze standen, umzugehen ist, und inwiefern die Interviewaussagen der Beteiligten unter diesem Einfluss stehen. Zudem spiegelt die von der Person und ihrer ersten Ehefrau angegebene Motivation ein Argument, das aus einer bestimmten feministischen Perspektive heute noch transmaskulinen Personen vorgeworfen werden kann.
Ein Gedicht aus der Sammlung Even Bohan von Kalonymus Ben Kalonymus, einem jüdischen Gelehrten des hochmittelalterlichen Arles, beschäftigt sich mit Ethik und liest sich zugleich wie eine eindringliche Beschreibung dysphorischen Erlebens. Es artikuliert klar den Wunsch eines männlich gelesenen Sprechers nach einer weiblichen Existenz. Die traditionelle Historiographie interpretiert dies im Rahmen einer angenommenen cisgeschlechtlichen Identität desr Autorin und versteht das Gedicht als satirische Reaktion auf die Vielzahl an Erwartungen und Pflichten, denen jüdische Männer und Jungen ausgesetzt waren. Diese Lesart scheint jedoch nicht völlig überzeugend. Sie erklärt weder das explizit geäußerte Leiden des Sprechers am eigenen Körper noch passt sie zur Absicht des Even Bohan, allgemeine moralische Fehler, auch die desr Autorin, zu thematisieren. Es erscheint daher nicht unwahrscheinlich, dass derdie Autorin Dysphorie in diesem ethischen Kontext reflektierte.
Questioning Authority
Die Metamorphosen von Ovid
Der Artikel „Questioning authority: Changing library cataloging standards to be more inclusive to a gender identity spectrum“ von Drabinski und Billey diskutiert die Bemühungen, Katalogisierungsstandards in Bibliotheken anzupassen, um eine breitere Anerkennung geschlechtlicher Identitäten zu fördern. Ursprünglich wurde der RDA-Standard (Resource Description and Access) also die bibliografischen Standards in den USA auf binäre Geschlechterangaben für Autoren beschränkt. Nach Forderungen von Aktivisten sowohl nicht-binäre als auch trans Identitäten zu berücksichtigen, wurde der RDA 2016 überarbeitet, sodass Bibliotheken die Option anbieten können, eigene Geschlechteridentitäten definieren zu können. Ziel ist eine inklusive und respektvolle Repräsentation von transgender und nicht-binären Autor*innen in Bibliothekskatalogen zu ermöglichen.
Die Metamorphosen Ovids sind fiktionale Gedichte, die von Verwandlung, die oft durch göttliches Eingreifen oder eine außergewöhnliche Handlung ausgelöst werden, handeln. In Buch 9 der Metamorphosen von Ovid (Ovid, Met. 9.666-797, Iphide mutata) geht es um Iphis. Iphis wird als Frau geboren, von der Mutter aber als Mann großgezogen. Als Iphis dann heiraten soll, verzweifelt Iphis, da es unnatürlich ist,wenn zwei weibliche Wesen sich lieben. Aus Verzweiflung wendet Iphis sich im Gebet an Isis, die Iphis‘ Körper zu dem eines Mannes macht und Iphis heiratet Ianthe.
Public History gestalten
- Brainstorming: Was für Formen und Projekte würden sich für die Narrativierung von Trans* Geschichte eignen? Inspirierende Beispiele?
- Themenfindung: Gibt es Themen/Quellen, die ihr gerne weiterentwickeln würdet?
Ergebnisse

