Eine Gegenüberstellung von queeren Kontaktanzeigen mit Dating-Profilen von heute
Wir möchten im Rahmen unseres Projekts queere Kontaktanzeigen aus der deutschen Nachkriegszeit sammeln und diese auf sprachlicher Ebene untersuchen. Dabei interessieren uns vor allem sogenannte Codewörter und die queere Selbstdarstellung der damaligen Zeit. Das Thema ist insofern relevant, als es Hinweise auf queere Identitäten liefert – in einer Zeit, in der solche Identitäten aus der Öffentlichkeit verdrängt wurden. Zudem ist es spannend, die damalige queere Dating-Kultur auf ihren Bezug zur heutigen Online-Dating-Kultur hin zu untersuchen: Wie funktioniert Selbstdarstellung? Wie spezifisch wird nach erwünschten Merkmalen des potenziellen Matches gefragt? Gibt es verschiedene Sparten von Kontaktanzeigen, bzw. entsprechenden Magazinen? Wie werden Kontaktinformationen ausgetauscht? Welche Muster und Phänomene lassen sich erkennen, und können wir diese in heutigen Strukturen des (Online-)Datings wiederfinden?
Der Diskurs um Online-Dating ist stark polarisiert: Für einige bedeutet es den Untergang der „wahren Liebe“ und die Partnersuche nach kapitalistischen Regeln, für andere hingegen Selbstverwirklichung und Freiheit. Relevant ist das Thema allerdings für fast alle von uns. Mit unserem Projekt hoffen wir, vor allem junge Menschen zu begeistern, sich aus der Perspektive heutiger Dating-Strukturen mit queerer Liebe und Begegnungen der deutschen Nachkriegszeit auseinanderzusetzen. Die Kontaktanzeige bzw. das Dating-Profil bietet eine sehr nachvollziehbare Form der romantischen Kontaktaufnahme.
Projektplan
Die Kontaktanzeigen von heute und früher möchten wir in einem Zine aufbereiten und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Zines sind aufgrund ihres kleinen Formats günstig in der Produktion und können daher in größerem Umfang gedruckt werden. An Materialien benötigen wir Papier, Drucker und Tinte sowie Beratung, wo man das Zine am besten auslegen könnte. Seit den frühen 1970er-Jahren ist das Zine ein beliebtes Medium für Subkulturen und deren Autopublikationen.
Methodische und theoretische Ansätze
Inhaltlich orientieren wir uns unter anderem an Andrea Rottmanns Dissertation „Queer Lives Across the Wall – Desire and Danger in Divided Berlin, 1945-1970“ sowie an Christiane Leidingers Bericht „Lesbische Existenz 1945-1969: Aspekte der Erforschung gesellschaftlicher Ausgrenzung und Diskriminierung lesbischer Frauen mit Schwerpunkt auf Lebenssituationen, Diskriminierungs- und Emanzipationserfahrungen in der frühen Bundesrepublik“. Für unsere Recherche sind uns derzeit vor allem das Spinnboden-Archiv und das Archiv des Schwulen Museums behilflich.
Zudem hat uns das Graduiertenkolleg „Kleine Formen“ inspiriert, das die Wissensgeschichte kurzer Textformen untersucht. Hierzu gehören unter anderem Notizen, Essays, Kommentarspalten – aber eben auch Kontaktanzeigen und Bios in Dating-Profilen. In seinem Forschungsbericht „Historische Authentizität: Individuen und Gesellschaften auf der Suche nach dem Selbst – ein Forschungsbericht“ versucht Achim Saupe aufzuzeigen, wie man historische Phänomene möglichst authentisch und unverzerrt aus der Distanz darstellen kann. In einem Unterkapitel betont er die Wichtigkeit von Archiven und ausdrücklich die Methode des Sammelns als Werkzeug, um dies zu erreichen. Auch dieser Forschungsbericht dient uns als Inspiration für unsere Methode.
Zeitliche Planer
Bis Anfang Februar werden wir online recherchieren und im Anschluss das Spinnboden-Archiv sowie eventuell das Schwule Museum besuchen. Dort sowie im Online-Archiv sammeln wir Kontaktanzeigen und überlegen, wie wir diese zu Papier bringen können. Für die Schritte von der Recherche über das Sammeln bis hin zur Kuration und Gestaltung unseres Zines rechnen wir mit einem Abschluss bis Mitte/Ende März.
Glücklicherweise werden wir mit der Veröffentlichung der Kontaktanzeigen keinerlei Persönlichkeitsrechte verletzen, da es sich in den allermeisten Fällen um anonyme Anzeigen handelt. Bei zeitgenössischen Dating-Profilen werden wir Namen und Gesichter unkenntlich machen – der Fokus liegt hier auf dem Geschriebenen. Die größte Herausforderung sehen wir in der Verbreitung des Zines: Wie können wir das Zine „vermarkten“?